Inkontinenz: Definition, Ursachen & Behandlung

Isabell Jungesblut

Inkontinenz: Definition, Ursachen & Behandlung

Isabell Jungesblut
Inkontinenz bezeichnet die fehlende oder eingeschränkte Fähigkeit, Urin oder Stuhl kontrolliert abzugeben. Das bedeutet, dass eine Person ungewollt Ausscheidungen verliert – was im Alltag zu großen Herausforderungen führen kann. 

In Deutschland sind schätzungsweise 10 Millionen Menschen von Inkontinenz oder Erkrankungen des Beckenbodens betroffen. Dabei ist die eigentliche Problematik nicht nur die körperliche Belastung, sondern auch das gesellschaftliche Tabu, das diese Erkrankung umgibt. Mehr als die Hälfte der Betroffenen spricht nicht einmal mit ihrer Familie darüber, und manche ziehen sich vollständig aus dem sozialen Leben zurück. Gerade deshalb ist es wichtig, das Thema offen anzusprechen – insbesondere für pflegende Angehörige, die tagtäglich damit konfrontiert sind. Ein bewusster Umgang mit Inkontinenz kann nicht nur helfen, praktische Lösungen zu finden, sondern auch die Lebensqualität der Betroffenen und der Pflegenden nachhaltig verbessern.

Ob Urin- oder Stuhlinkontinenz – die Ursachen sind vielfältig und reichen von altersbedingten Veränderungen über Erkrankungen bis hin zu Verletzungen. Doch genauso vielfältig sind die Ansätze, mit der Situation umzugehen: von medizinischen Therapien und Inkontinenzprodukten bis hin zu praktischen Alltagsstrategien, die eine wertvolle Unterstützung bieten können. Ein offener Umgang und das Wissen um die Möglichkeiten sind der Schlüssel, um die Herausforderungen zu bewältigen und den Alltag für alle Beteiligten zu erleichtern.

Formen und mögliche Ursachen der Harninkontinenz

Inkontinenz kann mehrere Ursachen haben
Harninkontinenz betrifft viele Menschen und ist häufig mit Unsicherheiten und Schamgefühlen verbunden. Dabei gibt es verschiedene Formen, die jeweils auf spezifische Ursachen zurückzuführen sind. Die fünf häufigsten Formen der Harninkontinenz sind:

1. Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz)

Die Belastungsinkontinenz tritt auf, wenn beim Lachen, Husten oder Niesen unkontrolliert Urin abgeht – und das, ohne dass ein Harndrang besteht. Ursache ist häufig eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur oder ein unzureichender Verschluss der Harnröhre. Besonders Frauen sind davon betroffen, da ihre anatomischen Gegebenheiten diese Form der Inkontinenz begünstigen.

2. Dranginkontinenz

Die Dranginkontinenz entsteht durch plötzliches und unkontrolliertes Zusammenziehen der Blasenmuskulatur, was einen intensiven und kaum beherrschbaren Harndrang auslöst. Dies führt dazu, dass Betroffene häufig nicht rechtzeitig die Toilette erreichen. Typische Auslöser können Blasenentzündungen oder Blasensteine sein. 

3. Mischinkontinenz

Die Mischinkontinenz kombiniert Merkmale der Belastungs- und Dranginkontinenz. Betroffene verlieren beim Lachen oder Husten ungewollt Urin und erleben zusätzlich plötzliche, dringende Harndrang-Attacken, die sie nicht rechtzeitig bewältigen können.

4. Reflexinkontinenz 

Die Reflexinkontinenz entsteht durch eine gestörte Nervensteuerung, wie sie beispielsweise bei Querschnittslähmungen oder Multipler Sklerose auftreten kann. Dabei entleert sich die Blase reflexartig und unkontrolliert, da die bewusste Kontrolle über die Blasenfunktion vollständig fehlt.

5. Überlaufinkontinenz

Die Überlaufinkontinenz entsteht durch eine Behinderung des Harnabflusses. Die Blase ist dabei ständig überfüllt, und kleine Mengen Urin werden unkontrolliert abgegeben. Ursachen können beispielsweise eine vergrößerte Prostata, Harnröhrenverengungen oder Blasensteine sein.

Formen und mögliche Ursachen der Stuhlinkontinenz

Stuhlinkontinenz bezeichnet den unkontrollierten Abgang von Stuhl und stellt ein sensibles Thema dar, das sowohl Betroffene als auch pflegende Angehörige vor erhebliche Herausforderungen stellt. Es gibt verschiedene Formen, die auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen sind.

1. Neurogene Stuhlinkontinenz

Diese Form tritt auf, wenn die Steuerung durch das Gehirn oder Rückenmark gestört ist. Betroffene verspüren entweder keinen Stuhldrang oder können ihn nicht kontrollieren. Ursachen hierfür können zum Beispiel eine Demenz, ein Schlaganfall, Multiple Sklerose oder eine Querschnittslähmung sein.

2. Sensorische Stuhlinkontinenz

Bei der sensorischen Stuhlinkontinenz ist die Wahrnehmung im Analkanal gestört. Betroffene können den Stuhlgang nicht spüren, wodurch sie ungewollt Stuhl verlieren. Diese Form tritt beispielsweise nach einem Schlaganfall oder bei Bewusstlosigkeit auf.

3. Muskuläre Stuhlinkontinenz

Bei Inkontinenz müssen Betroffene häufig Einlagen oder spezielle Pants benutzen
Bei dieser Form der Stuhlinkontinenz ist die Schließmuskulatur geschädigt, sodass diese den Stuhl nicht zurückhalten kann. Häufige Ursachen sind Verletzungen, etwa durch einen Dammriss während der Geburt oder auch altersbedingte, nachlassende Gewebeelastizität.

4. Inkontinenz aufgrund von Beckenbodeninsuffizienz

Mit zunehmendem Alter oder bei Übergewicht verliert der Beckenboden an Elastizität und Kraft. Dadurch wird die Kontrolle über den Stuhl erschwert, was zu einer Stuhlinkontinenz führen kann.

5. Konsistenzbedingte Stuhlinkontinenz

Diese Form entsteht häufig durch Durchfallerkrankungen, zum Beispiel bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Der Stuhl ist hierbei so dünn, dass der Schließmuskel überfordert ist und ihn nicht halten kann.

Typische Symptome bei Harn- und Stuhlinkontinenz

Die Symptome einer Inkontinenz können je nach Ursache variieren und unterschiedlich ausgeprägt sein.

Symptome bei Harninkontinenz:

  • Ungewollter Urinverlust: Typisch für die Belastungsinkontinenz, die bei körperlicher Anstrengung, Lachen, Husten oder Niesen auftritt.
  • Plötzlicher, starker Harndrang: Besonders typisch für die Dranginkontinenz, oft ohne rechtzeitig die Toilette zu erreichen.
  • Ständiges Tröpfeln von Urin: Ein Anzeichen für Überlaufinkontinenz, die oft durch eine chronisch überfüllte Blase verursacht wird.
  • Unkontrollierte Blasenentleerung: Tritt bei Reflexinkontinenz auf, ausgelöst durch eine gestörte Nervensteuerung.

Symptome bei Stuhlinkontinenz:

  • Ungewollter Verlust von Stuhl: Typisch bei muskulärer oder sensorischer Stuhlinkontinenz.
  • Unfähigkeit, den Stuhlgang wahrzunehmen oder zu kontrollieren: Häufig bei neurologischen oder sensorischen Störungen.
  • Unregelmäßige Stuhlkonsistenz: Zum Beispiel häufige Durchfälle, die zu konsistenzbedingter Inkontinenz führen können.
  • Unkontrollierter Abgang von Darmgasen oder Flüssigkeit: Besonders belastend für Betroffene und ein typisches Zeichen für eine milde Form der Stuhlinkontinenz.

Mein Hinweis für Sie: Versteckte Einlagen oder nasse Kleidungsstücke können auf eine bestehende Inkontinenz hinweisen.

Wann ärztlicher Rat notwendig ist

Es ist ratsam, ärztlichen Rat einzuholen, wenn...

  • die Symptome den Alltag deutlich beeinträchtigen.
  • Begleiterscheinungen wie Schmerzen, Blut im Urin oder Stuhl, häufige Infektionen oder zum Beispiel ungewollter Gewichtsverlust auftreten.
  • alarmierende Anzeichen wie Schwäche oder Empfindungsverlust in den Beinen, im Genitalbereich oder um den Anus auf eine mögliche Schädigung des Rückenmarks hindeuten. In solchen Fällen ist ein sofortiger Besuch in der Notaufnahme dringend angeraten.

Eine frühzeitige Klärung der Symptome kann helfen, gezielte Maßnahmen einzuleiten und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Behandlungsmöglichkeiten bei Inkontinenz

Beckenbodentraining kann bei Inkontinenz helfen
Die Behandlung von Inkontinenz hängt von der Inkontinenzform und von den Beschwerden ab. Ziel ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern. Dabei werden oft verschiedene Therapieansätze kombiniert.

  • Beckenbodentraining: Regelmäßige Übungen stärken die Muskulatur und helfen insbesondere bei Belastungs- und Dranginkontinenz.
  • Blasen- und Toilettentraining: Feste Ausscheidungsintervalle können dazu beitragen, die Kontrolle über Blase oder Darm zu verbessern.
  • Gewichtsreduktion: Entlastung der Beckenbodenmuskulatur durch Abbau von Übergewicht.
  • Elektrostimulation: Gezielte elektrische Impulse aktivieren die Beckenbodenmuskulatur und fördern deren Funktion.
  • Medikamentöse Therapie: Je nach Form der Inkontinenz können Medikamente die Blasenmuskulatur entspannen, die Nervensteuerung unterstützen oder Durchfälle regulieren.
  • Hilfsmittel: Produkte wie Einlagen, Pants, Katheter oder spezielle Sitzauflagen bieten Schutz und unterstützen im Alltag.
  • Ernährungsanpassungen: Eine ballaststoffreiche Ernährung mit ausreichend Flüssigkeit (ca. 1,5 Liter täglich) unterstützt die Verdauung und kann Inkontinenz lindern. Bei Herz- oder Nierenerkrankungen sollten ärztlich empfohlene Trinkmengen eingehalten werden. Verstopfungsfördernde Lebensmittel wie Weißbrot sollten reduziert, natürliche Hilfsmittel wie Flohsamenschalen oder Kräutertees genutzt werden. Koffein, Alkohol und künstliche Süßstoffe wegen harntreibender Wirkung nur in Maßen konsumieren.
  • Chirurgische Eingriffe: In schweren Fällen kann eine Operation, wie beispielsweise die Stärkung des Schließmuskels oder die Einlage eines Bandes zur Stabilisierung der Harnröhre, notwendig sein.


Eine frühzeitige und individuell abgestimmte Behandlung kann nicht nur die Symptome lindern, sondern auch die Selbstständigkeit und das Wohlbefinden der Betroffenen fördern.

Inkontinenzversorgung im Alltag

Es stehen zahlreiche Inkontinenzprodukte wie Vorlagen oder Pants zur Verfügung, die individuell an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden können. Die Wahl der richtigen Produkte ist entscheidend, um den Alltag komfortabler zu gestalten. Fachkräfte wie Pflegekräfte, Urologen, Proktologen sowie Apotheken und Anbieter entsprechender Produkte beraten bei der Auswahl und Anwendung.

Mein Hinweis für Sie: Umfassende Informationen und praktische Tipps zur Inkontinenzversorgung finden Sie in unserem kostenlosen Kurs “Körperpflege und Hygiene”. Schauen Sie gerne vorbei! 

Fazit: Leben mit Inkontinenz

Inkontinenz ist ein sensibles Thema, das Betroffene und Angehörige vor Herausforderungen stellt, aber mit den richtigen Maßnahmen gut bewältigt werden kann. Behandlungen wie Beckenbodentraining, entsprechende Inkontinenzprodukte oder medikamentöse Therapien bieten viele Möglichkeiten, die Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.

Eine frühzeitige Prävention, wie die Stärkung des Beckenbodens und ein gesunder Lebensstil kann das Risiko einer Inkontinenz verringern. Für Risikogruppen sind gezielte Maßnahmen besonders wichtig. Ebenso sollte der Schritt, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, nicht gescheut werden – Ärztinnen, Ärzte und Pflegefachkräfte stehen Ihnen und Ihren Angehörigen unterstützend zur Seite. Mit der richtigen Unterstützung und individuellen Lösungen lässt sich die Lebensqualität deutlich verbessern.


💜-liche Grüße 

Inkontinenz: Häufig gestellte Fragen

Was ist Inkontinenz?

Inkontinenz bezeichnet die unkontrollierte Abgabe von Urin oder Stuhl und kann verschiedene Formen und Ursachen haben, etwa altersbedingte Veränderungen, Erkrankungen oder Verletzungen.

Welche Behandlungsoptionen gibt es bei Inkontinenz?

Behandlungen reichen von Beckenbodentraining und medikamentöser Therapie über Ernährungsanpassungen bis hin zu Inkontinenzprodukten, wie Einlagen oder Pants. In schweren Fällen können chirurgische Eingriffe notwendig sein.

Welche Formen der Harninkontinenz gibt es?

Zu den häufigsten Formen zählen Belastungsinkontinenz, Dranginkontinenz, Mischinkontinenz, Reflexinkontinenz und Überlaufinkontinenz. Jede Form hat unterschiedliche Ursachen und Symptome.

Wie finde ich die passenden Inkontinenzprodukte?

Die Auswahl der Produkte sollte auf die individuellen Bedürfnisse der betroffenen Person abgestimmt werden. Beratung erhalten Sie zum Beispiel bei Urologen, Proktologen, Apotheken oder spezialisierten Fachkräften. Ein Test verschiedener Produkte kann hilfreich sein, um die beste Lösung zu finden.

Was kann ich tun, wenn mein Angehöriger von Inkontinenz betroffen ist?

Wenn Sie oder Ihr Angehöriger von Inkontinenz betroffen sind, ist die erste Anlaufstelle der Hausarzt. Dieser kann eine erste Einschätzung geben, notwendige Untersuchungen einleiten und Sie an Fachärzte wie Urologen oder Proktologen weiterleiten. 
Zur Autorin

Isabell Jungesblut

EXAMINIERTE GESUNDHEITS- UND KRANKENPFLEGERIN
Als Expertin für Gesundheits- und Krankenpflege bringt Isabell Jungesblut umfangreiche Erfahrungen aus der Akutversorgung aber auch aus der vollstationären Langzeitversorgung mit. Hier im Pflege ABC teilt sie ihr umfangreiches Wissen mit Ihnen, um die Pflege für Sie zu erleichtern.
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