Häusliche Pflege von Kindern mit Behinderung

Isabell Jungesblut

Häusliche Pflege von Kindern mit Behinderung

Isabell Jungesblut
Die Pflege eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen ist eine Herausforderung, die Eltern oft an ihre Grenzen bringt – emotional, organisatorisch und bürokratisch. Neben der liebevollen Betreuung kommen viele Fragen hinzu: Welche Unterstützung können Sie in Anspruch nehmen? Wie finden und beantragen Sie die passenden Hilfen für sich und Ihr Kind?
Doch es geht nicht nur um Anträge und Formulare. Wie erklären Sie Ihrem Kind seine Behinderung? Wo findet es einen Kindergarten, in dem es sich wohlfühlt, Freundschaften knüpfen und sich entwickeln kann? Und wie können Sie als Familie kleine Momente der Entlastung schaffen?
Sie müssen diesen Weg nicht allein gehen. Es gibt viele Anlaufstellen, Beratungs- und Hilfsangebote, die Sie begleiten und unterstützen – damit Sie und Ihr Kind den Alltag bestmöglich gestalten können.

Pflegegeld für ein Kind mit Behinderung

Es ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, dass Kinder mit Behinderung Pflegegeld erhalten
Eltern, die ihr pflegebedürftiges Kind zu Hause versorgen, können unter bestimmten Voraussetzungen Pflegegeld erhalten. Voraussetzung dafür ist ein anerkannter Pflegegrad, der den zusätzlichen Betreuungsaufwand bestätigt. 
Der Antrag zur Einstufung in einen Pflegegrad wird bei der Pflegekasse des Kindes gestellt. In den meisten Fällen ist das Kind über ein Elternteil familienversichert. Nach der Antragstellung erfolgt eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (bei gesetzlich Versicherten) oder Medicproof (bei privat Versicherten), um den individuellen Unterstützungsbedarf zu ermitteln. Bei Kindern erfolgt die Berechnung des Pflegegrades etwas anders als bei Erwachsenen.
Die Höhe des Pflegegeldes richtet sich nach dem zuerkannten Pflegegrad – ab Pflegegrad 2 besteht Anspruch. Das Pflegegeld dient dazu, die häusliche Pflege zu erleichtern und Eltern finanziell zu entlasten.

Pflegegrad Pflegegeld 2025
2 347 Euro monatlich
3 599 Euro monatlich
4 800 Euro monatlich
5 990 Euro monatlich

Kindergeld bei Behinderung

Eltern erhalten Kindergeld in der Regel bis zum 18. Geburtstag ihres Kindes. Bei einer ersten Ausbildung oder einem Studium verlängert sich der Anspruch bis maximal zum 25. Lebensjahr. Für Kinder mit Behinderung kann das Kindergeld darüber hinaus gezahlt werden, wenn die Behinderung vor dem 25. Geburtstag eingetreten ist und das Kind aufgrund dieser nicht selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann. Ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 oder mehr erleichtert den Nachweis, beispielsweise durch einen Behindertenausweis oder ein ärztliches Gutachten.

Das Kindergeld wird in der Regel an die Eltern ausgezahlt, sofern sie die Betreuung übernehmen. Leiten Eltern das Kindergeld an ihr volljähriges Kind weiter, kann dies Auswirkungen auf Sozialleistungen haben. Bezieht das Kind Grundsicherung, wird das Kindergeld darauf angerechnet, was zu einer Kürzung der Sozialleistungen führen kann. In einigen Fällen kann das Sozialamt sogar eine direkte Abzweigung des Kindergeldes beantragen, sodass es nicht mehr an die Eltern, sondern direkt an das Amt gezahlt wird.

Ob eine Abzweigung tatsächlich erfolgt, entscheidet die Familienkasse. Eltern können dies verhindern, wenn sie nachweisen, dass das Kindergeld für behinderungsbedingte Ausgaben genutzt wird – etwa für Pflege, Therapie, spezielle Betreuung oder Hilfsmittel. Dafür sollten sie Rechnungen, Quittungen oder andere Belege einreichen. Allgemeine Kosten wie Miete oder Lebensmittel reichen nicht aus. Jeder Fall wird individuell geprüft und die Entscheidung anhand der vorgelegten Nachweise getroffen.
Neben dem Kindergeld stehen Ihnen als Eltern weitere finanzielle Entlastungen zur Verfügung, darunter der Behinderten-Pauschbetrag, der sich nach dem Grad der Behinderung berechnet - maximal jedoch 7.400 € jährlich beträgt und der Grundfreibetrag der aktuell bei 11.604 € liegt und mit dem behinderungsbedingtem Mehrbedarf steigen kann. 

Das Persönliche Budget – Mehr Selbstbestimmung für Ihr Kind

Wussten Sie, dass Ihnen und Ihrem behinderten Kind unter Umständen auch das Persönliche Budget zusteht?
Diese alternative Leistungsform gibt Ihnen als Eltern die Möglichkeit, individuell zu entscheiden, welche Unterstützung Ihr Kind benötigt – und wer diese erbringt.
Anstatt festgelegte Sachleistungen oder Pflegedienste zu erhalten, bekommen Sie eine monatliche Geldleistung. Damit können Sie zum Beispiel eine Assistenzkraft, eine Integrationshilfe in Schule oder Kindergarten, therapeutische Maßnahmen oder Alltagsunterstützung finanzieren. Auch Angehörige können über das Budget bezahlt werden.
Das Persönliche Budget wird bei dem zuständigen Leistungsträger beantragt – je nachdem, welche Leistungen das Budget umfasst. Mögliche Anlaufstellen können die Pflegekasse, das Sozialamt, die Eingliederungshilfe, die Krankenkasse oder andere Rehabilitationsträger sein. Falls unklar ist, wer genau zuständig ist, kann der Antrag auch bei einer der gemeinsamen Servicestellen der Rehabilitationsträger gestellt werden, die ihn dann an die richtige Stelle weiterleitet.
Kind im Rollstuhl spielt mit seinem Freund

Behinderung & Kindergarten: Welche Möglichkeiten gibt es?

Sie als Eltern haben in der Regel die Wahl zwischen inklusiven Kindergärten, die Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam betreuen, und Fördereinrichtungen, die gezielt auf die speziellen Bedürfnisse des Kindes eingehen. Zusätzlich gibt es heilpädagogische Kindergärten, die individuell auf Kinder mit besonderem Förderbedarf abgestimmt sind. Welche Einrichtung die richtige ist, hängt vom individuellen Bedarf Ihres Kindes und den regionalen Möglichkeiten ab.

Die Entscheidung kann herausfordernd sein, doch Sie als Eltern müssen sie nicht allein treffen. Frühförderstellen, sozialpädiatrische Zentren (SPZ), Jugendämter und unabhängige Beratungsstellen unterstützen bei der Wahl und geben wertvolle Empfehlungen. Auch medizinische und pädagogische Fachkräfte können Hinweise auf eine geeignete Betreuungsform geben. 
Um die beste Umgebung für das eigene Kind zu finden, lohnt es sich, verschiedene Einrichtungen zu besichtigen, mit Fachkräften zu sprechen und sich umfassend beraten zu lassen.

Kindern eine Behinderung erklären

Wenn ein Kind eine Behinderung hat oder mit Menschen mit Behinderung in Kontakt kommt, tauchen oft viele Fragen auf. Eltern sollten offen, wertschätzend und kindgerecht erklären, um Unsicherheiten zu vermeiden und ein positives Selbstverständnis zu fördern – sowohl für das eigene Kind als auch für gesunde Kinder, die lernen sollen, mit Vielfalt umzugehen.

Einfache und klare Erklärungen
Kinder brauchen verständliche und direkte Worte. Erklären Sie auf eine Weise, die altersgerecht ist, und rücken Sie die Person in den Mittelpunkt – nicht nur die Behinderung. Betonen Sie, dass alle Menschen spielen, fühlen und lachen, aber manche in bestimmten Bereichen Unterstützung brauchen.

Wenn das eigene Kind eine Behinderung hat 
Für Kinder mit Behinderung ist es besonders wichtig zu verstehen, dass sie wertvoll sind und ihre Stärken im Vordergrund stehen. Sprechen Sie ehrlich über ihre besonderen Bedürfnisse, aber reduzieren Sie sie nicht darauf. Helfen Sie Ihrem Kind zu erkennen, dass Unterstützung nichts Schlechtes ist, sondern den Alltag erleichtert.

Offenheit für Fragen
Kinder sind von Natur aus neugierig – ermutigen Sie sie, Fragen zu stellen. Ermutigen Sie Ihr Kind, offen über das Thema zu sprechen, egal ob es selbst eine Behinderung hat oder nicht. Ein Kind mit Behinderung wird im Laufe der Zeit eigene Gedanken und Gefühle dazu entwickeln – geben Sie ihm Raum für diese Gespräche. Ein gesundes Kind kann lernen, dass Fragen erlaubt sind, solange sie respektvoll gestellt werden. Wenn Sie selbst etwas nicht wissen, können Sie gemeinsam nach Antworten suchen – das zeigt, dass es völlig in Ordnung ist, Neues über das Thema zu lernen.

Vielfalt und Empathie betonen
Jeder Mensch ist einzigartig, und Unterschiede gehören zum Leben dazu. Helfen Sie Ihrem Kind zu verstehen, dass es nicht allein ist – es gibt viele andere mit ähnlichen Herausforderungen. Ein gesundes Kind kann lernen, dass Vielfalt normal ist und dass Menschen mit Behinderung genauso Freundschaften schließen, spielen und Spaß haben. Fördern Sie ein gesundes Selbstbewusstsein, indem Sie zeigen, dass Unterschiede nichts Negatives sind, sondern einfach ein Teil des Lebens.

Hilfsmittel kindgerecht erklären
Ob Rollstuhl, Hörgerät oder Kommunikationshilfe – für Kinder mit Behinderung sind diese Hilfen oft selbstverständlich. Wenn Ihr Kind solche Hilfen nutzt, bestärken Sie es darin, sie als wertvolle Unterstützung zu sehen, die ihm mehr Möglichkeiten eröffnet. Ein gesundes Kind kann lernen, dass solche Hilfsmittel keine Einschränkung sind, sondern dazu beitragen, dass jemand selbstständiger sein kann. Erklären Sie, dass ein Rollstuhl beispielsweise kein Hindernis ist, sondern Mobilität ermöglicht – genau wie ein Fahrrad oder ein Auto.
Kind mit Hörgerät das Hilfsmittel erklären
Fokus auf Fähigkeiten statt Einschränkungen
Kinder mit Behinderung erleben oft, dass ihre Einschränkungen im Mittelpunkt stehen. Umso wichtiger ist es, den Blick auf das zu lenken, was möglich ist. Zeigen Sie Ihrem Kind, wie es Dinge auf seine eigene Weise meistern kann, und feiern Sie Erfolge – egal, wie groß oder klein sie sind. Ein gesundes Kind kann lernen, dass Menschen mit Behinderung nicht weniger können, sondern oft kreative Wege finden, Herausforderungen zu meistern.

Mein Tipp für Sie: Unser kostenloser Video-Kurs „Familienbande – Das Leben mit einem pflegebedürftigen Geschwisterkind“ bietet wertvolle Tipps, um Kindern das Thema Behinderung einfühlsam zu erklären – auch wenn es kein Geschwisterkind gibt. Zudem enthält er ein Kapitel speziell für Eltern, das dabei hilft, den Familienalltag zu gestalten und Unterstützung zu finden.

Fazit: Mit Unterstützung den Alltag meistern

Die Pflege eines Kindes mit Behinderung bringt Herausforderungen mit sich – doch Sie müssen diesen Weg nicht alleine gehen. Mit der richtigen Unterstützung lässt sich der Alltag gut bewältigen. Hilfsmittel und barrierefreie Anpassungen können die Pflege zu Hause erleichtern, während Kurzzeitpflege oder Verhinderungspflege Sie als Eltern gezielt entlasten. 
Ebenso wichtig ist es, auf sich selbst zu achten. Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Netzwerke bieten nicht nur wertvolle Informationen, sondern auch Austausch mit anderen Eltern, die ähnliche Erfahrungen machen. 
Es gibt viele Wege, Unterstützung zu finden – sei es durch praktische Hilfen, finanzielle Leistungen oder den Kontakt zu anderen betroffenen Familien. Nutzen Sie die Möglichkeiten, die Ihnen zur Verfügung stehen. 

💜-liche Grüße 

Häusliche Pflege von Kindern mit Behinderung: Häufig gestellte Fragen

Hat mein Kind mit Behinderung über das 25. Lebensjahr hinaus Anspruch auf Kindergeld?

Ja, wenn die Behinderung vor dem 25. Geburtstag eingetreten ist und das Kind aufgrund dieser nicht selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, bleibt der Anspruch auf Kindergeld auch über das 25. Lebensjahr hinaus bestehen.

Wer hat Anspruch auf Pflegegeld für ein behindertes Kind?

Wenn das Kind einen Pflegegrad hat und die Pflege überwiegend zu Hause erfolgt, kann Pflegegeld bei der Pflegekasse beantragt werden.

Wie wird der Pflegegrad für ein Kind mit Behinderung festgestellt?

Nach Antragstellung bei der Pflegekasse erfolgt eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (bei gesetzlich Versicherten) oder Medicproof (bei privat Versicherten). Die Einstufung des Pflegegrades erfolgt nach einem standardisierten Begutachtungsinstrument, das grundsätzlich den gleichen Grundsätzen wie bei Erwachsenen folgt, jedoch in einigen Bereichen speziell auf Kinder abgestimmt ist. 
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Isabell Jungesblut

EXAMINIERTE GESUNDHEITS- UND KRANKENPFLEGERIN
Als Expertin für Gesundheits- und Krankenpflege bringt Isabell Jungesblut umfangreiche Erfahrungen aus der Akutversorgung aber auch aus der vollstationären Langzeitversorgung mit. Hier im Pflege ABC teilt sie ihr umfangreiches Wissen mit Ihnen, um die Pflege für Sie zu erleichtern.
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