Biografiearbeit in der Pflege: Tipps für Angehörige

Thea Regenberg

Biografiearbeit in der Pflege: Tipps für Angehörige

   Thea Regenberg  
„Jetzt ist irgendwie alles anders.“ Dieser Satz beschreibt das Gefühl vieler Menschen, wenn ein geliebter Mensch pflegebedürftig wird. Plötzlich ist der Alltag nicht mehr derselbe. Vielleicht, weil das Alter Veränderungen mit sich bringt oder weil eine Krankheit wie eine Demenz neue Wege fordert. Von einem Tag auf den anderen entstehen Unsicherheiten, Ängste und viele Fragen, die mit der neuen Situation einhergehen: Was braucht meine Mutter wirklich? Wie kann ich meinen Vater besser verstehen? Wie bleibe ich mit meiner Partnerin in Verbindung, wenn Worte nicht mehr reichen?

Viele Angehörige erleben genau das. Und oft ist da das Gefühl, nicht mehr richtig durchzublicken. Der Alltag ist auf den Kopf gestellt, alles wirkt fremd. Aber bei all diesen Veränderungen bleibt ein Wunsch bestehen: die Nähe zueinander nicht zu verlieren. Denn nicht nur für Sie ist vieles neu. Auch Ihr pflegebedürftiger Angehöriger macht eine herausfordernde Zeit durch. Wenn dann noch kognitive Einschränkungen dazukommen, wie bei einer Demenz, entsteht schnell ein Gefühl von Verlorensein, und zwar auf beiden Seiten. Genau hier kann Biografiearbeit in der Pflege eine wertvolle Hilfe sein. Nicht als komplizierte Methode, sondern als eine Haltung: eine Einladung, sich dem Menschen, um den Sie sich kümmern, auf neue Weise zu nähern. Was hat die Person früher gern gemacht? Womit kann man ihr heute ein gutes Gefühl schenken? Welche Momente lassen sie aufblühen? Wenn Sie beginnen, diese Spuren aufzunehmen und in den Alltag zu holen, entstehen oft ganz von selbst neue Brücken. In diesem Artikel erfahren Sie, was Biografiearbeit bedeutet, wie sie Ihnen im Pflegealltag helfen kann und wie Sie selbst mit einfachen, kreativen Impulsen Nähe schaffen können.

Warum ist Biografiearbeit in der Pflege so wichtig?

alte Lieblingslieder wieder entdecken durch die Biografiearbeit
Manchmal sind es kleine Dinge, die eine große Wirkung haben: ein bestimmter Duft, ein Lied aus alten Zeiten oder ein vertrauter Gegenstand. Und plötzlich ist da ein Moment der Nähe. Ein Lächeln. Eine Reaktion. Genau das kann durch Biografiearbeit hervorgerufen werden. Denn jeder Mensch hat eine Geschichte, mit Erinnerungen, Erfahrungen und Gefühlen. Diese Geschichte hört nicht einfach auf, nur weil Pflege notwendig wird. Im Gegenteil: Sie kann ein wichtiger Schlüssel sein, um jemanden besser zu verstehen und in Beziehung zu bleiben. Biografiearbeit bedeutet also, die Lebensgeschichte eines Menschen bewusst wahrzunehmen und sie in die Pflege einzubeziehen. Es geht um Fragen wie: Was war ihm oder ihr im Leben wichtig? Was hat ihn geprägt? Was gibt ihr heute noch Sicherheit oder Freude? Nicht aus Neugier, sondern aus ehrlichem Interesse und dem Wunsch, gut zu begleiten. Gerade in der häuslichen Pflege ist Biografiearbeit besonders hilfreich. Denn Sie als Angehörige kennen die Vergangenheit oft gut. Sie wissen, was früher eine Rolle gespielt hat, welche Gewohnheiten es gab oder welche Dinge eine besondere Bedeutung hatten. Und oft haben Sie persönliche Erinnerungsstücke, Fotos oder Rituale zur Hand, die helfen können, Verbindung zu schaffen. Biografiearbeit beginnt nicht mit einem Fragebogen. Sie beginnt im Alltag und mit einem offenen Blick, mit einem Gespräch und mit kleinen Impulsen. Und vor allem mit einer Haltung: “Ich sehe dich." "Ich nehme dich ernst.”

Für die gepflegte Person kann das viel Vertrauen und Orientierung geben. Besonders bei Demenz kann es helfen, sich selbst nicht zu verlieren. Vertraute Dinge aus der Vergangenheit können Sicherheit schaffen, das Selbstwertgefühl stärken und schöne Erinnerungen wachrufen. Auch für Sie als pflegender Angehöriger kann Biografiearbeit eine große Unterstützung sein. Sie hilft, Verhalten besser zu verstehen, Missverständnisse zu vermeiden und gemeinsame Momente bewusster zu erleben. Wenn Sie zum Beispiel wissen, dass Ihr Vater früher Lehrer war, kann es erklären, warum er empfindlich reagiert, wenn man ihm Dinge erklärt. Und wenn Sie Ihrer Mutter ein Lied vorspielen, das sie früher geliebt hat und es vielleicht immer noch tut, kann das für sie ein Anker sein. Biografiearbeit schafft Verbindung, gerade dann, wenn sich vieles verändert hat. 

Zeit mit Ihrem Herzensmenschen: So kann die Biografiearbeit aussehen

Der Begriff Biografiearbeit klingt vielleicht erst einmal ein bisschen trocken, fast so, als müssten Sie ein festes Konzept lernen oder bestimmte Schritte abarbeiten. Aber keine Sorge: In der beruflichen Praxis helfen Biografiearbeit-Methoden, Senioren und pflegebedürftige Personen wirklich kennenzulernen, und zwar mit allem, was sie ausmacht. Mit ihrer Geschichte, ihren Lieblingsmomenten, ihren Ängsten und Sorgen. Und auch darum, sie so zu begleiten, dass sie sich gesehen und verstanden fühlen. Vielleicht denken Sie jetzt: “Ich weiß doch schon alles über meine Eltern.” Und das ist großartig. Gerade weil Sie so viel wissen, können Sie dieses Wissen gezielt nutzen, um Erinnerungen wachzurufen, um Nähe zu schaffen, um gemeinsame Momente zu erleben, die gut tun. Sie kennen den Menschen, den Sie pflegen. Und genau das macht Biografiearbeit in der häuslichen Pflege so wertvoll. Es braucht oft gar nicht viel. Schon kleine Impulse können eine große Wirkung haben: ein vertrauter Gegenstand, ein Lied, ein Geruch oder einfach ein liebevoller Satz wie: “Weißt du noch...?”

Gesprächsimpulse:

  • „Was war dein erster Beruf?“
  • “Welcher Beruf hat dir am meisten Spaß gebracht?”
  • „Wie hast du Papa kennengelernt?“
  • „Was hast du als Kind am liebsten gespielt?“

Mein Tipp für Sie: Ihnen sind hier keine Grenzen gesetzt. Nutzen Sie dafür am besten ruhige Momente, z. B. beim gemeinsamen Essen oder abends im Sessel. Denken Sie aber immer auch daran, dass positive sowie negative Reaktionen auftauchen können. 

Erinnerungen zum Anfassen:

  • Fotoalben durchblättern
  • Eine Biografie-Kiste mit Dingen aus dem Leben füllen
  • Ein Zeitstrahl basteln – mit wichtigen Stationen der Lebensreise
  • Alte Kleidungsstücke und Gegenstände aus dem Haus oder der Wohnung

Musik & Klänge:

  • Alte und neue Lieblingslieder anhören
  • Geräusche von früheren Orten abspielen (z. B. Kirchenglocken, Bahnfahrten)

Basale Reize einbeziehen:

  • Düfte aus der Kindheit: frisch gebackenes Brot, Lavendel, Kaffee
  • Vertraute Berührungen: Lieblingskleidung oder Kuscheldecke
  • Bewegung und Rituale: alte Tänze, Gebete, bestimmte Handgriffe
Gerade bei Demenz kann das gemeinsame Durchführen bekannter Handgriffe helfen

Biografiearbeit und Basale Stimulation: Erinnern über alle Sinne

Die Basale Stimulation unterstützt Menschen dabei, wieder in Kontakt mit sich selbst und ihrer Umwelt zu kommen, besonders dann, wenn Sprache kaum noch möglich ist. Sie wird oft bei schwerer Demenz oder körperlichen Einschränkungen eingesetzt und hilft, über gezielte Reize wie Berührung, Bewegung oder Geräusche die Wahrnehmung zu fördern und einen Zugang zur Kommunikation zu schaffen. Diese Sinneseindrücke wirken oft auf einer ganz tiefen Ebene. Sie berühren, wecken Emotionen und öffnen innere Türen. Manchmal entstehen darüber Momente des Wiedererkennens oder ein Gefühl von Geborgenheit und das oft ganz ohne Worte. Gerade deshalb lässt sich die Basale Stimulation wunderbar mit der Biografiearbeit verbinden. Wenn bekannte Rituale, vertraute Gerüche oder bestimmte Berührungen mit der Lebensgeschichte eines Menschen verknüpft sind, entsteht eine besondere Form der Begegnung. 

Biografiearbeit bei Demenz

Wenn ein Mensch an Demenz erkrankt, verändert sich vieles, vor allem die Kommunikation und das Erinnerungsvermögen. Doch auch wenn Worte fehlen oder aktuelle Ereignisse schnell wieder vergessen sind, bleibt eines erstaunlich lange erhalten: das emotionale Gedächtnis. Gefühle, vertraute Rituale und sinnliche Eindrücke wirken oft tiefer als Sprache. Die Biografiearbeit kann eine Brücke zur Vergangenheit sein und damit auch eine neue Form von Nähe ermöglichen. Besonders gut gelingt das, wenn sich die Biografiearbeit auf frühe Lebensphasen konzentriert. Die Kindheit, Jugend oder jungen Erwachsenenjahre sind oft tief im Langzeitgedächtnis verankert. Während Namen oder aktuelle Abläufe schnell verblassen, können Lieder aus der Schulzeit, der Duft von frisch gebackenem Brot oder das Foto eines alten Wohnortes plötzlich wieder etwas hervorrufen. Ein Moment, der verbindet. Wichtig ist dabei: Es geht nicht darum, etwas korrekt zu erinnern oder Wissen abzufragen. Biografiearbeit ist kein Test. Sie ist eine Einladung, Vertrautes wieder aufleben zu lassen, ohne Druck und ohne Erwartung. Schon kleine Impulse können ausreichen, um solche Momente entstehen zu lassen. Zum Beispiel können, neben Gerüchen und Geschmack, auch Berührungen oder bestimmte Textilien, wie eine Wolldecke wie aus Kindertagen, Erinnerungen wachrufen. Besonders bei Menschen mit Demenz ist das ein wertvoller Zugang, weil vieles über die Sinne erlebt und gespeichert wurde. Biografiearbeit bedeutet aber nicht, dass Sie stundenlang alte Lebensläufe durchgehen müssen. Vielmehr geht es darum, achtsam zu sein für das, was schon da ist: Familienfotos, kleine Rituale, liebgewonnene Gewohnheiten. Es geht darum, die Lebensgeschichte nicht zu vergessen und sie einzubeziehen. Denn je besser wir wissen, was einem Menschen einmal wichtig war, desto eher gelingt es, ihn zu begleiten, auch wenn sich vieles verändert hat. Und manchmal entsteht daraus mehr, als man erwartet hätte. Vielleicht ein Moment der Ruhe, ein Gesprächsanfang oder einfach ein stilles Verstehen. Sie erinnert uns daran: Auch wenn das Gedächtnis nachlässt, bleiben die Gefühle. 

Eine kreative Biografieübung für Sie! 

Schritt 1: Nehmen Sie sich einen Moment Zeit.

Setzen Sie sich in Ruhe hin, atmen Sie tief durch und lassen Sie für einen Augenblick den Alltag los. Denken Sie nicht an das, was gerade im Pflegealltag zu tun ist, sondern an den Menschen, den Sie pflegen. An die gemeinsame Geschichte, an besondere Augenblicke, an kleine Gesten, die Sie verbinden. Vielleicht kennen Sie diesen Menschen schon Ihr ganzes Leben. Vielleicht begleiten Sie ihn aber auch erst seit Kurzem. Ganz gleich, ob es Ihre Mutter ist, Ihr Vater, Ihre Partnerin oder auch ein Nachbar - Sie wissen: Jeder Mensch hat eine Geschichte. Und vielleicht wissen Sie schon mehr darüber, als Sie auf Anhieb glauben.

Stellen Sie sich zuerst selbst einige Fragen:

  • Was weiß ich über das Leben dieser Person?
  • Welche prägenden Ereignisse fallen mir ein?
  • Welche Rituale, Gewohnheiten oder Vorlieben sind mir bekannt?
  • Gibt es Gerüche, Lieder oder Orte, die mit dieser Person verbunden sind?
  • Welche Gefühle verbinde ich mit diesen Erinnerungen?

Lassen Sie Ihre Gedanken einfach fließen. Schreiben Sie gern alles auf, was Ihnen einfällt und natürlich ganz ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ein paar Stichworte, Sätze oder kleine Geschichten reichen völlig aus. Auch scheinbar nebensächliche Details können später eine große Rolle spielen. So entsteht nach und nach Ihre persönliche Erinnerungs-Sammlung. Sie kann eine sein Grundlage, auf die Sie im Pflegealltag zurückgreifen können.

Schritt 2: Gehen Sie aktiv in den Austausch.

Der gemeinsame Austausch ist sehr wichtig für die Biografiearbeit
Vielleicht möchten Sie die eine oder andere Frage bei einer passenden Gelegenheit stellen? Ganz beiläufig beim Kaffeetrinken, beim Spazierengehen oder in einem stillen Moment. Es braucht keinen festen Rahmen. Oft ergibt sich ein Gespräch ganz von allein. 

Hier einige Fragen, mit denen Sie beginnen können. Sprechen Sie dabei die Person direkt an:

  • Was waren drei Erlebnisse, die dein Leben besonders geprägt haben?
  • Was hat dir früher immer Freude gemacht?
  • Gibt es einen Satz, den du oft gesagt hast oder etwas, das dich besonders gut beschreibt?
  • Was war dein Lieblingsessen, dein liebstes Hobby, dein Lieblingslied?
  • Gibt es Dinge, die dir besonders viel bedeutet haben? Ein alter Gegenstand, ein Foto, ein bestimmter Duft?
  • Wie war deine schönste Reise?
  • Welche Bücher, Lieder oder Fernsehstars hast du früher gemocht?
  • Hast du mal etwas gesammelt? Briefmarken, Postkarten, etwas anderes?
  • Welche Hobbys waren dir wichtig?
  • Wie habt ihr als Kinder Weihnachten gefeiert?
  • Was hast du über Sternzeichen gedacht, früher oder heute?
  • Was hast du mit deinen Freunden unternommen, als du jung warst?

Mein Tipp an Sie: Wenn eine Antwort Sie besonders berührt oder Sie ein Gespräch einfach nicht vergessen möchten, halten Sie es fest. Notieren Sie ein Zitat, eine Erinnerung oder einfach den Moment an sich. Daraus kann mit der Zeit ein kleines Erinnerungsheft entstehen. 

Biografiearbeit: Beispiel aus dem Pflegealltag

Thomas pflegt seine Mutter, die an Demenz erkrankt ist. Er wohnt gemeinsam mit ihr in dem Elternhaus. Eines Tages fällt ihm beim Aufräumen eine alte Schachtel in die Hände. Darin sind viele bunte Knöpfe, Nähgarn und kleine Stoffreste. Er bringt die Schachtel ins Wohnzimmer, stellt sie wortlos auf den Tisch. Seine Mutter sieht sie, streicht langsam über die Stoffe, grinst und sagt leise: „Daraus hab ich dir früher Faschingskostüme genäht.“ Plötzlich ist da auch noch etwas anderes in ihrem Blick. Thomas empfindet es als Klarheit, Wärme, ein Stück Vergangenheit, das er in der letzten Zeit nicht mehr erkennen konnte. Sie beginnen zu sprechen, erinnern sich gemeinsam an das Cowboy-Kostüm mit der zu langen Weste und das Prinzessinnenkleid für die kleine Schwester. Seitdem holt Thomas die Knopfschachtel immer mal wieder hervor. Gar nicht unbedingt, um zu reden. sondern um da zu sein. Manchmal sortieren sie einfach die Knöpfe neu, Seite an Seite. Und doch fühlt es sich ein bisschen an wie ein Gespräch.

Überlegen Sie mal: Gibt es bei Ihnen auch solche kleinen Schätze? Etwas, das Erinnerungen weckt? Etwas, das Ihnen sofort in den Sinn kommt, wenn Sie an Ihren Angehörigen denken?

Grenzen der Biografiearbeit

Biografiearbeit kann vieles bewirken. Sie kann Nähe schaffen, Erinnerungen wecken und ein Gefühl von Verbundenheit entstehen lassen. Und so schön es auch klingt: Sie hat auch ihre Grenzen. Es kann helfen, diese Grenzen einer Person zu kennen und vor allem sollten sie auch respektiert werden. Denn nicht jede Erinnerung ist schön. Neben Momenten der Freude und des Stolzes kann es auch Erfahrungen geben, die schmerzhaft oder schwer belastend sind, wie Erinnerungen an Krieg, Flucht, Verlust, Gewalt oder Enttäuschungen. Wenn Themen dieser Art unerwartet auftauchen, kann das emotional sehr herausfordernd sein, sowohl für die pflegebedürftige Person als auch für Sie als pflegender Angehöriger.

Deshalb: Gehen Sie so sensibel wie möglich an verschiedene Themen ran und versuchen Sie, ein Gespür dafür zu bekommen. Wird eine Frage plötzlich abgewiesen? Reagiert die Person ungewöhnlich ruhig, traurig oder gereizt? Dann kann es ein Zeichen dafür sein, dass hier möglicherweise ein wunder Punkt berührt wurde. Sie können dann fragen, ob es hilft, darüber zu sprechen oder ob lieber das Thema gewechselt werden soll. Und wenn eine klare Ablehnung zu spüren ist, dann sollten sie auch nicht nachhaken. Versuchen Sie, es nicht persönlich zu nehmen. Ablehnung oder Rückzug in solchen Momenten ist kein Zeichen dafür, dass Sie etwas falsch gemacht haben. 
die Biografiearbeit kann auch negative Emotionen hervorrufen
Ein weiterer wichtiger Punkt: Auch andere Personen im Umfeld ihres zu pflegenden Angehörigen, zum Beispiel Familienmitglieder, Freunde oder Nachbarn sollten wissen, dass so manch ein Thema eine andere Reaktion hervorrufen kann. Erzählen Sie ruhig, warum bestimmte Themen ausgelassen werden oder warum die Person auf scheinbar harmlose Fragen manchmal ablehnend reagiert. Ein gemeinsames Verständnis für solche Situationen kann helfen, Spannungen zu vermeiden und die Pflegesituation zu stärken.

Und: Biografiearbeit ersetzt keine Therapie. Wenn Sie das Gefühl haben, dass starke Belastungen immer wieder auftauchen oder die Vergangenheit schwer auf der Stimmung liegt, kann es sinnvoll sein, sich Unterstützung zu holen, zum Beispiel durch professionelle Beratungsstellen, den Hausarzt, Therapeuten oder spezialisierte Dienste.

Fazit: Biografiearbeit - Nähe entsteht im Erinnern

Biografiearbeit in der Pflege entsteht dort, wo echte Beziehung gelebt wird, also zwischen Ihnen und dem Menschen, den Sie pflegen. Ob bei Senioren, bei Menschen mit Demenz oder auch in herausfordernden Situationen: Biografiearbeit kann Orientierung, Vertrauen und kleine Lichtblicke schenken. Sie erinnert daran, dass hinter jeder pflegebedürftigen Person ein ganzes Leben steht. Dabei geht es nicht um korrektes Erinnern, sondern um Verbundenheit. Sie kann kreativ sein: mit Fotos, kleinen Ritualen, Musik oder persönlichen Gegenständen, oft ohne viele Worte. In Kombination mit Methoden wie der Basalen Stimulation entstehen darüber hinaus wertvolle Sinneserfahrungen, die gerade bei Menschen mit Beeinträchtigungen neue Wege der Begegnung eröffnen. Nehmen Sie sich Zeit. Beobachten Sie, was gut tut. Und erlauben Sie sich auch, einfach mal nur da zu sein. Denn oft sind es nicht die großen Gesten, sondern die kleinen Momente im Alltag. Biografiearbeit erinnert uns an das, was bleibt: die eigene Geschichte. 


💜-liche Grüße 

Ihre Thea Regenberg


Biografiearbeit: Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet Biografiearbeit in der Pflege?

Biografiearbeit in der Pflege bedeutet, die Lebensgeschichte eines Menschen bewusst einzubeziehen. Sie hilft dabei, die pflegebedürftige Person besser zu verstehen und Vertrauen aufzubauen. Gerade in der häuslichen Pflege und bei Erkrankungen wie Demenz ist sie eine wertvolle Brücke zur Vergangenheit und zum emotionalen Erleben. Anders als ein medizinischer Ansatz beginnt Biografiearbeit nicht mit einem Fragebogen, sondern mit echtem Interesse und offenen Ohren.

Warum ist Biografiearbeit bei Demenz so hilfreich?

Menschen mit Demenz verlieren oft die Orientierung im Hier und Jetzt, behalten aber erstaunlich lange Zugang zu emotionalen Erinnerungen. Biografiearbeit bei Demenz nutzt genau das: alte Lieder, vertraute Düfte oder Gegenstände aus der Kindheit. Sie können Erinnerungen wecken und ein Gefühl von Sicherheit vermitteln.

Für wen eignet sich Biografiearbeit?

Biografiearbeit wird oft mit älteren Menschen oder Senioren in Verbindung gebracht. Denn gerade im Alter, bei Demenz oder Pflegebedürftigkeit kann sie viel bewirken. Doch die Idee dahinter ist sehr vielseitig: Jeder Mensch hat eine Geschichte, die ihn geprägt hat. Deshalb kann Biografiearbeit auch bei jüngeren Pflegebedürftigen oder Menschen mit chronischen Erkrankungen sinnvoll sein. Sie hilft, Identität zu bewahren, Verständnis zu fördern und Vertrauen aufzubauen, unabhängig vom Alter. Bei Senioren bringt sie oft besonders viele schöne Erinnerungen zurück, die Kraft und Orientierung schenken.

Gibt es Grenzen der Biografiearbeit in der Pflege?

So schön Biografiearbeit auch sein kann, nicht jede Erinnerung ist positiv. Manche Themen, wie Krieg, Verlust oder Traumata, können schmerzhafte Gefühle hervorrufen. Deshalb ist es wichtig, sensibel zu sein und Signale ernst zu nehmen. Biografiearbeit ersetzt keine Therapie, aber sie kann ein liebevoller Weg sein, Verbindung zu schaffen. Ein „Nein“ ist immer in Ordnung. 

Wie beginne ich mit Biografiearbeit als Angehörige*r ganz praktisch?

Der Einstieg in die Biografiearbeit muss wirklich nicht kompliziert sein. Beginnen Sie mit dem, was Sie bereits wissen: Erinnern Sie sich gemeinsam an schöne Erlebnisse, schauen Sie alte Fotos an oder stellen Sie Fragen wie „Was hat dir früher besonders Freude gemacht?“ Oft reichen ruhige Momente beim Essen oder Spazierengehen, um ins Gespräch zu kommen. Schreiben Sie auch gern besondere Antworten oder Zitate auf. Biografiearbeit in der häuslichen Pflege lebt von kleinen und ehrlichen Begegnungen.
Zur Autorin

Thea Regenberg

EXAMINIERTE ALTENPFLEGERIN & PFLEGEBERATERIN
Als erfahrene Altenpflegerin kennt sich Thea Regenberg mit den besonderen Bedürfnissen älterer Menschen bestens aus. Im Pflege ABC teilt sie ihr Fachwissen in der Grund- und Behandlungspflege, sowie der Organisation und Dokumentation von medizinischen und pflegefachlichen Abläufen.
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