Pflegegrad bei Kindern: ADHS & Co. - Darauf sollten Sie achten
Isabell Jungesblut
Das Thema “Pflegegrad bei Kindern” ist für viele Eltern und Angehörige ein sensibles und oft emotionales Anliegen. Wenn Sie ein Kind haben, das an ADHS, also an einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung oder einer ähnlichen Erkrankung leidet, spüren Sie vermutlich täglich, wie viel zusätzliche Kraft und Aufmerksamkeit es braucht. ADHS geht mit Herausforderungen einher, die sich auf den gesamten Alltag auswirken: erhöhte Unruhe, impulsives Verhalten und Konzentrationsprobleme erfordern oft mehr Betreuung und Begleitung als bei anderen Kindern. Neben den normalen Bedürfnissen bringt das Leben mit einem Kind, das besondere Unterstützung benötigt, häufig Anforderungen mit sich, die weit über das Übliche hinausgehen. Ein Pflegegrad kann hier eine wertvolle Hilfe sein: Er erkennt den zusätzlichen Pflegebedarf an und bietet finanzielle sowie organisatorische Entlastung, die Ihnen als Familie Freiraum und Unterstützung gibt.
Pflegegrad statt Pflegestufen – Wie ADHS und besondere Bedürfnisse gezielter unterstützt werden
Früher wurde der Pflegebedarf in sogenannte Pflegestufen eingeteilt, die vor allem auf körperliche Einschränkungen ausgerichtet waren. Das bedeutete, dass vor allem die körperliche Pflegeleistung im Vordergrund stand, während kognitive oder psychische Beeinträchtigungen – wie sie etwa bei ADHS auftreten können – weniger berücksichtigt wurden. Für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz, wie etwa bei einer Demenz oder einer ähnlichen kognitiven Erkrankung, gab es die Sonderregelung der Pflegestufe S (auch Pflegestufe 0 genannt), die es ermöglichte, trotz fehlender körperlicher Einschränkungen Zugang zu bestimmten Pflegeleistungen zu erhalten.
Um den Pflegebedarf umfassender und gerechter zu erfassen, wurden die Pflegestufen im Jahr 2017 durch die Pflegegrade ersetzt. Der große Vorteil der Pflegegrade ist, dass nun alle Facetten der Pflegebedürftigkeit einbezogen werden, einschließlich geistiger und psychischer Einschränkungen. Diese Änderung machte auch eine Pflegestufe S oder einen Pflegegrad S überflüssig. Besonders für Kinder mit ADHS, die oft nicht nur körperliche, sondern auch kognitive und emotionale Unterstützung benötigen, stellt diese Änderung einen wichtigen Fortschritt dar. So wird sichergestellt, dass der gesamte Unterstützungsbedarf eines Kindes erfasst wird und Sie und Ihre Familie eine gezielte und angemessene Unterstützung erhalten.
Sonderthema ADHS: Wann und warum kann ADHS einen Pflegegrad rechtfertigen?
Die Frage, ob ein Pflegegrad für ein Kind mit ADHS sinnvoll und gerechtfertigt ist, beschäftigt viele Eltern.
Um einen Pflegegrad bewilligt zu bekommen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss eine Pflegebedürftigkeit nach § 14 SGB XI vorliegen. Pflegebedürftig im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die aufgrund gesundheitlich bedingter Beeinträchtigungen in ihrer Selbständigkeit oder ihren Fähigkeiten eingeschränkt sind und deshalb auf Hilfe durch andere angewiesen sind. Diese Definition umfasst neben körperlichen auch geistige und seelische Beeinträchtigungen, sodass grundsätzlich auch Kinder mit ADHS einen Pflegegrad erhalten können – vorausgesetzt, es besteht ein erheblicher Pflegebedarf, der voraussichtlich länger als sechs Monate andauert und sich nicht durch Therapie oder Rehabilitation pflegegradrelevant verbessern wird. Zusätzlich ist entscheidend, dass das versicherte Kind oder der versicherte Jugendliche in den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung mindestens zwei Jahre entweder als Mitglied versichert oder familienversichert war.
Nun stellt sich aber für viele Eltern die Frage, wann ein Pflegegrad für ein Kind mit ADHS, aber auch einer anderen Erkrankung, sinnvoll ist. Ein Pflegegrad kann hilfreich sein, wenn die Symptome den Alltag erheblich beeinträchtigen und das Kind bei alltäglichen Aufgaben deutlich mehr Unterstützung als Gleichaltrige benötigt. Liegen körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigungen vor, die den Alltag ohne zusätzliche Hilfe stark erschweren, ist es ratsam, einen Pflegegrad zu beantragen, um gezielte Unterstützung zu erhalten, die den besonderen Bedarf des Kindes anerkennt.
Pflegegradrechner für Kinder: Erster Eindruck zum möglichen Pflegegrad
Pflegegrad bei Kindern – So erfolgt die Berechnung
Die Berechnung des Pflegegrades bei Kindern unterscheidet sich aufgrund der altersabhängigen Entwicklung von der Pflegegradbewertung bei Erwachsenen. Spezielle Regelungen gelten für Kinder in verschiedenen Altersgruppen, um den tatsächlichen Unterstützungsbedarf fair und realistisch abzubilden – besonders relevant ist dies bei Diagnosen wie ADHS, wo oft zusätzlicher Pflegebedarf im Alltag entsteht.
Für Kinder bis 18 Monate gelten spezielle Regelungen, da in diesem Alter ausschließlich altersunabhängige Module (3 und 5) in die Beurteilung einbezogen werden, wie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, sowie der Umgang mit und die Bewältigung von krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen. Anstelle von “Modul 4 Selbstversorgung” ist lediglich die Fragestellung: “Bestehen gravierende Probleme bei der Nahrungsaufnahme, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Bereich der Ernährung auslösen?” zu beantworten. Wird diese Frage mit “Ja” beantwortet, erhält das Kind 20 Punkte. Kinder bis 18 Monate werden ebenso automatisch einen Pflegegrad höher eingestuft.
Ab 19 Monaten bis zum 11. Lebensjahr erfolgt die Begutachtung umfassender mit allen sechs Modulen, allerdings angepasst an die altersgemäße Entwicklung. Nur in den Modulen für Verhaltensweisen und krankheitsbedingte Anforderungen wird kein Vergleich mit Gleichaltrigen vorgenommen, was bei Diagnosen wie ADHS den spezifischen Pflegebedarf fairer abbildet.
Ab dem 11. Lebensjahr entspricht die Begutachtung zunehmend der Begutachtung von Erwachsenen, wobei altersgerechte Sprache und Besonderheiten berücksichtigt werden.
Diese abgestuften Regelungen ermöglichen eine realistische Erfassung des Pflegebedarfs in allen Altersgruppen.
Der Weg zum Pflegegrad bei Kindern
Fazit: Pflegegrad für Kinder mit ADHS & Co.
Ein Pflegegrad kann für Familien von Kindern mit ADHS und ähnlichen Diagnosen eine wertvolle Unterstützung sein, da er den besonderen Betreuungsbedarf anerkennt und die Familie entlastet. Der Weg dorthin mag komplex wirken, doch mit einer sorgfältigen Vorbereitung und hilfreichen Hilfsmitteln wie dem Pflegetagebuch lässt sich der Prozess erfolgreich gestalten. Jeder Schritt, vom Antrag bis zur Begutachtung, trägt dazu bei, die passende Unterstützung für Ihr Kind zu erhalten. Lassen Sie sich ermutigen – mit dem Pflegegrad können Sie und Ihr Kind die notwendige Hilfe bekommen, um den Alltag gemeinsam gut zu bewältigen.
Pflegegrad bei Kindern: Häufig gestellte Fragen
Wann ist ein Pflegegrad bei Kindern mit ADHS & Co sinnvoll?
Ein Pflegegrad kann hilfreich sein, wenn beispielsweise die ADHS-Symptome den Alltag stark beeinträchtigen und das Kind regelmäßig mehr Betreuung und Unterstützung als Gleichaltrige benötigt.
Wie kann man einen Pflegegrad für ADHS bei Kindern beantragen?
Der Pflegegrad kann direkt bei der Pflegekasse beantragt werden. Es empfiehlt sich, ärztliche Berichte und eine detaillierte Beschreibung des Betreuungsaufwands einzureichen.
Kann Pflegegrad 3 auch bei Kindern mit ADHS vergeben werden?
Pflegegrad 3 ist bei Kindern mit ADHS nur selten erreichbar, da dafür eine deutlich höhere Pflegebedürftigkeit erforderlich ist, als sie ADHS im Regelfall verursacht.
Ist der Pflegegrad bei Kindern befristet oder dauerhaft?
Pflegegrade bei Kindern können befristet sein und müssen regelmäßig überprüft werden, da sich der Unterstützungsbedarf im Verlauf der kindlichen Entwicklung ändern kann.
Zur Autorin
Isabell Jungesblut
Als Expertin für Gesundheits- und Krankenpflege bringt Isabell Jungesblut umfangreiche Erfahrungen aus der Akutversorgung aber auch aus der vollstationären Langzeitversorgung mit. Hier im Pflege ABC teilt sie ihr umfangreiches Wissen mit Ihnen, um die Pflege für Sie zu erleichtern.
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